Die britische Sportwagenfirma TVR ist zurück. Und schon ausverkauft. Und zwar bevor jetzt das erste Bild veröffentlicht wurde. 

So sieht der neue Sportwagen von TVR aus Foto©TVR

Totgesagte leben bekanntlich länger. Ein Konsortium aus britischen Investoren unter der Leitung von Les Edgar hat die Markenrechte erworben und unter tatkräftiger Unterstützung von niemand geringerem als Gordon Murray, genialer Rennsportkonstrukteur und Erschaffer des legendären McLaren F1, bis 2017 bis zu vier neue Modelle geplant: jeweils mit Frontmittelmotor, Heckantrieb und natürlich wieder einem soliden Rohrrahmen. Um den V8-Motor wird sich niemand geringerer als die Formel-1-Motorenschmiede Cosworth kümmern.

Ein Blick in den Rückspiegel
Aber wie kam es eigentlich zum Aus der Traditionsmarke: Im Kit-Car-verrückten Nachkriegs-England verschrieb sich der junge Ingenieur Trevor Wilkinson der Spaßfraktion. Auf einem eigens konstruierten Gitterrohrrahmen verwirklichte er seine Vorstellung leistbarer Sportwagen und nannte seine Kreationen TVR: Eine Ableitung aus seinem Vornamen (TreVoR). Von ihrem Beginn im Jahr 1947 an legte die Firma aus Blackpool Wert auf drei wesentliche Komponenten: viel Leistung, wenig Gewicht, faire Preise. Die Fahrzeuge verfügten durchwegs über GFK-, später Kevlar-Karosserien.

1958 mündete Wilkinsons Werk im ersten Serienmodell, dem Grantura der mit Vierzylinder-Einbaumotoren von Ford, Coventry Climax oder MG zu haben war. Mit dem Griffith ab 1963 machte TVR erstmals so richtig Schlagzeilen: Das kleine Kunststoff-Coupé befeuerte ein 4,7-Liter-V8 von Ford – damit jagten die Boliden aus Blackpool AC Cobra, Ferrari und Jaguar.

Wegweiser auf Wachstum
Mitte der 1960er übernahm Martin Lilley TVR und stellte die Wegweiser auf Wachstum: Der greise Grantura wurde vom fiesen Vixen abgelöst, der Griffith durch den Tuscan V8. Die 1970er sahen die Geburt der M-Serie, an der das Publikum großen Gefallen fand. Der Turbo M von 1976 war sogar das erste britische Serienfahrzeug mit Zwangsbeatmung. 1980 dann der Paradigmenwechsel in Sachen Design: Mit dem Tasmin wandte sich TVR von runden Formen ab und verschrieb sich voll und ganz dem kantigen Trend zum rollenden Donnerkeil.

Aber ganz egal wie ein TVR aussah, das Fahren war immer seine Schokoladenseite: von quirlig und kompakt beim Vixen, schön und souverän beim Taimar, über kräftig und kantig beim Tasmin von 1981 bis hin zum bizarr-brutalen Vergnügen, das der Tuscan bot – langweilig wurde es mit einem TVR nie. Stets umwehte die immer wilder gezeichneten Modelle der Ruf des Schlägertypen auf vier Rädern, der ganz ohne elektronische Fahrhilfen eine strenge Hand am Lenkrad erforderte. Wer den Hooligans aus dem rauen Blackpool aber gewachsen war, der hatte mit einem TVR eine echte Lenkwaffe unter dem Hintern.

Vollgas mit V8-Power
1982 übernahm mit Peter Wheeler der dritte Eigentümer die Marke. Er begann sofort mit der Entwicklung des ersten mit einem Rover-V8 motorisierten TVR, dem 350i und konnte die Produktion in den nächsten Jahren verdoppeln. Als der erste moderne Griffith 1992 auf seiner ersten Motorshow präsentiert wurde, ging durchschnittlich alle acht Minuten eine Bestellung ein. Im Folgejahr ging der TVR Chimaera in Produktion. Er gilt als der populärste TVR von dem mehr als 10.000 Stück verkauft wurden.

Doch dann aber verbremste sich Peter Wheeler gewaltig: Statt als Kleinsthersteller Antriebe weiterhin zuzukaufen, entschied er sich, eigene Motoren zu entwickeln. Der V8 und der Reihensechszylinder, die im Cerbera 1996 auf den Markt kamen, waren Höllenmaschinen – litten allerdings an einer ganzen Reihe höchst unerfreulicher Kinderkrankheiten.

Aber weil man gerade so schön dabei war, schüttelte man auch noch einen Zwölfzylinder aus dem Handgelenk, statt die Massenware massentauglich zu machen. Zwar avancierte der im Jahr 2000 präsentierte Tuscan schnell zum bestverkauften TVR überhaupt – aber die Zeichen standen auf Sturm. Dem stets etwas klammen Kleinsthersteller, der in den besten Jahren 1000 bis 1500 Fahrzeuge produzierte, brachen die Eigenentwicklungen das finanzielle Genick.

Eine Firma als Reichenspielzeug
2004 schnitt sich der damals 24-jährige russische Investor Nikolai Smolenski die Sportwagenfirma ein, die gerade noch den Sagaris auf den Markt bringen konnte. Der war ganz im Sinne der Firma die Auto-gewordene Ausgeburt der Unterwelt, dessen sechszylindriges Höllenfeuer wirklich niemanden kalt ließ. Doch auch er konnte mit seinen 400 PS das Ruder nicht mehr herumreißen – TVR war pleite und der Sagaris nach zwei Jahren schon wieder Geschichte.

Der neue Eigentümer konnte das Steuer nicht herumreißen, verfuhr sich stattdessen heillos: Erst kündigte Smolenksi an, den Produktionsstandort von England ins ferne Russland zu verlegen, woraufhin TVR-Besitzer eine Protestfahrt durch London organisierten.

Dann verlautbarte er die Wiederaufnahme der Produktion, wobei die Endmontage bei Bertone in Italien passieren sollte. Im Jahr darauf ließ er in Österreich drei Prototypen aufbauen um festzustellen, dass sie sich zu TVR-üblichen Preisen nicht realisieren lassen würden. 2012 hatte Smolenksi jedenfalls genug, er begrub seine Idee vom Sportwagenbauer und wollte den Markennamen künftig für Turbinen verwenden.

Verwirklichter Bubentraum
Aber da hatte der Unternehmer Les Edgar etwas dagegen: 2014 erwarb der Brite, der sein Geld mit Computerspielen gemacht hat und seit Teenagertagen TVR-Fan ist, die Markenrechte. Und holte mit Konstrukteur Gordon Murray und Motorenbauer Cosworth nicht weniger als die Besten ins Boot. Ein Händlernetz ist gerade im Entstehen, doch allein die Botschaft von neuen Modellen zum TVR-typischen Preisen schlug im Vorfeld heftige Wellen. Bereits jetzt gibt es derart viele Vorbestellungen, dass die für 2017 angekündigten 250 Stück bereits ausverkauft sind.
Schnell waren TVRs ja schon immer. Aber so schnell vergriffen noch nie.


Beitrag von Karin Riess erschienen im Januar 2016 in kleinezeitung.at